Niederschlagsbilanz
Das Jahr 2023 geht in der Region als das mit Abstand niederschlagsreichste Jahr seit Beginn der Niederschlagsaufzeichnungen (in Bocholt im Jahre 1901) ein. Mit 1215,5 Litern Niederschlag pro Quadratmeter fielen an der privaten Station Bocholt 49 % mehr Niederschlag als im vieljährigen Mittel 1991-2020 (814 L/m²), also rund die 1,5-fache Menge. Die bisherigen Rekorde aus den Jahren 1998 (1078,3 L/m²) und 1966 (1042,6 L/m²) wurden deutlich übertroffen. Auch in der Reihe Kleve (seit 1850) und in den Niederlanden war 2023 das mit Abstand niederschlagreichste Jahr.
Bis auf Februar, Mai und Juni brachten alle Monate einen Niederschlagsüberschuss – zum Teil einen erheblichen. 6 Monate erreichten über 100 L/m² Niederschlag und tauchen in der Top-10-Rangliste der nassesten seit 1901 auf: März (4.-nassester seit 1901), Juli (10.-nassester) und August (7.-nassester) sowie Oktober (3.-nassester), November (3.-nassester) und Dezember (2.-nassester). Die letzten drei Monate des Jahres brachten jeweils mehr als das Doppelte, also mehr als 200 %, des vieljährigen Mittels.
Wodurch kam das große Niederschlagsplus zu Stande?
Der nasse März war in erster Linie das Ergebnis zweier Dauerregen-Lagen. Der Hochsommer verlief sehr unbeständig, zur im Mittel wärmsten Zeit des Jahres von Mitte Juli bis Mitte August herrschte eine äußerst wechselhafte Witterung mit häufigen Schauern und Gewittern: Innerhalb von 21 Tagen (23.07.-12.08.) fielen 184,2 L/m², was etwa eine durchschnittliche Zwei-Monats-Summe darstellt. Ab der zweiten Oktoberdekade (zeitgleich mit der Bocholter Kirmes) stellte sich eine Westwetterlage ein, die fast ununterbrochen bis zum Jahresende Tiefdruckgebiete nach Deutschland beförderte mit täglichen, oftmals ergiebigen Niederschlägen. Ein Schwerpunkt der Niederschlagsaktivität waren die Tage unmittelbar vor Weihnachten sowie Heiligabend/1. Weihnachtstag, als Bäche und Flüsse über die Ufer traten. Vom 11. Oktober bis zum Jahresende fielen 463,3 L/m² (Mittel 1991-2020 dieses Zeitraums: ca. 200 L/m²).
An 211 Tagen wurden mindestens 0,1 L/m² (Mittel: 193 Tage), an 159 Tagen mindestens 1,0 L/m² (Mittel: 135 Tage) und an 43 Tagen mindestens 10 L/m² (Mittel: 22 Tage) verzeichnet. Außerdem gab es 14 Tage mit Schneefall, ein Tag mit einer Schneedecke (4. Dezember, 3 cm), 2 Tage mit Hagel und 25 Gewittertage.
Temperaturbilanz
Gemeinsam mit dem Vorjahr liegt 2023 auch auf Platz 1 der wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen (bei der Temperatur im Jahr 1945). Die Temperatur erreichte erneut einen Jahresmittelwert von 12,09 °C und damit exakt den Rekordwert des Vorjahres. Im Vergleich zum vieljährigen Mittel 1991-2020 lag das Plus bei 1,2 K, im Vergleich zum vieljährigen Mittel 1961-1990, das noch nicht wesentlich vom Klimawandel beeinflusst war, bei 2,3 K.
Dass das Jahr wieder sehr warm werden würde, war bereits im Frühjahr zu erahnen, denn der vorangegangene Winter 2022/2023 verlief sehr mild (Januar +2,2 K Abweichung zum Mittel 1991-2020; Februar +1,8 K). Einen neuen Monatsrekord gab es schließlich im Juni, der mit einem Monatsmittel von 20,5 °C (+3,3 K) den wärmsten Juni in der Bocholter Reihe seit 1945 darstellt. Der September, der bundesweit einen neuen Rekord brachte, war in Bocholt mit 18,5 °C (+3,4 K gegenüber 1991-2020) der 2.-wärmste nach 2006 (18,7 °C). Auch Oktober (+2,4 K, 5.-wärmster seit 1945) und Dezember (ebenfalls +2,4 K, 3.-wärmster) verliefen sehr mild. Erster zeichnete sich durch warme Tage bis zur Monatsmitte, letzterer durch eine sehr milde zweite Monatshälfte aus.
Kühlere Witterungsabschnitte gab es lediglich Ende Februar/Anfang März, zeitweise im April, von Mitte Juli bis Mitte August sowie Ende November/Anfang Dezember. Der April ist der einzige Monat, der ein deutliches Minus von 1,4 K im Vergleich zum Mittel 1991-2020 aufwies; Juli und August können mit 0,3 bzw. 0,4 K unter dem Mittel noch als durchschnittlich bezeichnet werden. Wie bereits 2020 und 2022 brachte kein Monat eine negative Abweichung im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961-1990 zu Stande, was das Voranschreiten des Klimawandels nochmals verdeutlicht.
Es wurden 51 Sommertage (ab 25 °C; Mittel 1991-2020: 39 Tage), 13 heiße Tage (ab 30 °C; Mittel 1991-2020: 9 Tage) und 3 Tropennächte (nicht unter 20 °C; Mittel 1991-2020: 3 Nächte) verzeichnet. Dem gegenüber stehen 38 Frosttage (Mittel 1991-2020: 50 Tage) und kein einziger Eistag (Dauerfrosttag; Mittel 1991-2020: 8 Tage). Der heißeste Tag war der 9. Juli mit 34,4 °C, am kältesten war es am 1. März und 2. Dezember mit jeweils -4,4 °C.
Folgende Besonderheiten im Witterungsverlauf 2023 sind erwähnenswert:
Extrem milder Jahresbeginn
Am Silvestertag 2022 liegt die Temperatur bei bis zu 17,0 °C, am Neujahrstag 2023 bei bis zu 16,2 °C. Damit ist der Jahresbeginn noch ein Stück milder als der des Vorjahres und der mildeste Jahresbeginn seit mindestens 1946.
Sehr milde und nasse erste Januarhälfte
Die erste Januarhälfte (01.-15.) erreicht bedingt durch eine intensive Südwestlage eine mittlere Temperatur von 9,1 °C, das entspricht über 5 K über dem Mittel 1991-2020 und ist etwa Anfang-April-Niveau. Die Höchstwerte liegen oft im zweistelligen Bereich, die Tiefstwerte über 5 °C und von Frost fehlt jede Spur. Dazu ist es sehr nass. Erst ab dem 16. fließen kältere Luftmassen aus Nordosten ein und bringen leichte Fröste bis -3,8 °C (18.), sodass es der Gesamtmonat nicht in die Top 10 der wärmsten Januar-Monate schafft.
Nassester März seit 1994
Der März geht als nassester seit 1994 und 4.-nassester seit 1901 in die lokale Klimareihe ein. Es werden 111,8 L/m² Niederschlag verzeichnet, das ist beinahe doppelt so viel (191 %) wie im Mittel 1991-2020. Am 09./10. bringt ein Tief ergiebige Regenfälle (36,4 L/m² in 48 Stunden), am 10. auch Graupel- und Schneeschauer mit kurzzeitiger Ausbildung einer 1 cm hohen Schneedecke. Eine weitere nasse Phase mit häufigen Regen- und Graupelschauern gibt es in der dritten Monatsdekade, vor allem vom 23. bis 26. März. Zum Monatswechsel zieht erneut ein Tief unmittelbar über unsere Region hinweg (31,3 L/m² in 48 Stunden).
Regenreichster April seit 2005, dazu nur mäßig warm
Der April – in den vergangenen Jahren oft eher trocken und teilweise schon frühsommerlich warm – geht 2023 ebenfalls als regenreicher Monat in die Statistik ein. Die Monatssumme erreicht 68,1 L/m² (164 %) und ist damit so hoch wie seit 2005 (68,7 L/m²) nicht mehr. Temperaturen über 20 °C treten nur an einem einzigen Tag (22.) auf. Gegenüber aktuellen Maßstäben ist es insgesamt ein kalter April (-1,4 K gegenüber dem Mittel 1991-2020), gegenüber Vor-Klimawandel-Verhältnissen liegt der Monat jedoch im Mittel (+0,4 K gegenüber dem Mittel 1961-1990).
Freundlicher Wonnemonat Mai
Im Mai stellt sich die unbeständige Witterung um, im Gegensatz zu den Vormonaten ist es oft trocken und sonnig. Dazu ist es durchschnittlich warm. Es treten keine Kälteeinbrüche mit Bodenfrösten, aber auch noch keine Hitzetage auf.
Wärmster Juni seit Aufzeichnungsbeginn
Mit einem Monatsmittel von 20,5 °C (+3,3 K und 0,2 K mehr als im bisherigen Rekordjuni 2019) geht der Juni als wärmster seit 1945 in die Statistik ein. Wochenlang herrscht trockenes Hochdruckwetter mit viel Sonnenschein. Vom 04. bis 27. erreicht das Thermometer durchweg mindestens 24 °C, von einer Unterbrechung (22. mit „nur“ 23,4 °C) abgesehen. Es werden 19 Sommertage und 5 heiße Tage mit bis zu 31,8 °C am 25. registriert. Dazu ist es sehr trocken, fast die gesamte Monatsmenge von 28,6 L/m² kommt an nur einem Tag (22. mit 26,5 L/m²) zusammen.
Niederschlagsreichster Juli seit 30 Jahren
Nach einem kühlen Beginn kommt es am 8. und 9. Juli zu einer kurzen Hitzewelle mit Höchstwerten bis 34,4 °C, die mit heftigen Gewittern beendet wird. In der zweiten Monatsdekade stellt sich eine sehr unbeständige, zu häufigen Schauern und Gewittern neigende Witterung ein und zum Monatsende, die im Mittel eigentlich heißeste Zeit des Jahres, gehen die Tagestemperaturen sogar unter die 20-°C-Marke zurück. In den Frühstunden des 24. kommen mit kräftigen Regenfällen 28,1 L/m² zusammen, vom 26. bis zum 31. fallen infolge zahlreicher Regengebiete, die die Region von Westen her überqueren, insgesamt 48,9 L/m². Mit 136,5 L/m² (177 %) ist es schließlich der nasseste Juli seit 1993.
Sehr nasser und nur mäßig warmer August
Bis zur zweiten Augustdekade setzt sich die kühle, sehr wechselhafte Witterung fort. Die Temperatur liegt bis zum 10. deutlich unter dem Mittel 1991-2020 und bis zum 12. fallen bereits 106,3 L/m² – das ist ein Drittel über der mittleren Gesamtmonatsmenge. Anschließend steigen die Temperaturen zwar auf ein sommerliches Niveau an, doch das Monatsende gestaltet sich wieder kühl, sodass der Monat mit 18,3 °C um 0,4 K unter dem Mittel 1991-2020 liegt. Mit 137,4 L/m² (168 %) ist es der nasseste August seit 2015.
Zweitwärmster September mit neuem Hitzetagsrekord
Mit einem Monatsmittel von 18,5 °C (+3,4 K) geht der September knapp hinter 2006 (18,7 °C) als zweitwärmster in regionale Klimastatistiken ein. Vom 5. bis zum 11. kommt es zu einem hochsommerlichen Witterungsabschnitt mit 5 heißen Tagen und einem Spitzenwert von 31,1 °C (05.). Die Kurve der Tageshöchstwerte bewegte sich im Bereich der absoluten Rekorde, neue Höchststände bezogen auf den Gesamtmonat oder die erste Dekade werden jedoch nicht aufgestellt. Das Sommerwetter wird von mehreren heftigen Gewittern in der Nacht vom 11. auf den 12. beendet, die 26,5 L/m² bringen. Der restliche Monat verläuft weiterhin recht mild mit häufigen Tageshöchstwerten von 22 bis 25 °C. Aufgrund weiterer Schauer- und Gewitteraktivität (16./17.) gibt es – für so warme Monat ungewöhnlich – ein kleines Niederschlagsplus (77,4 L/m², 113 %).
Drittnassester Oktober seit 1901 und fünftwärmster Oktober seit 1945
Der Oktober verläuft zweigeteilt: Bis zum 13., dem Kirmes-Freitag, bleibt es warm, die Höchstwerte liegen an 8 Tagen noch über 20 °C. Dann kommt es zu einem deutlichen und nachhaltigen Temperaturrückgang auf herbstliche Werte. Infolge einer Luftmassengrenze fallen in der noch warmen Luft mehrfach gewittrige Regenschauer, am 13. wird mit 30,7 L/m² die höchste Tagesmenge 2023 gemessen. In der zweiten Monatshälfte stellt sich atlantisches Tiefdruckwetter mit vielen Frontdurchzügen ein. Ab dem 18. kommt es tagtäglich zu Regenfällen, mehrfach fallen über 10 L/m². Mit 154,6 L/m² (220 %) wird der nasseste Oktober seit 1998 und der 3.-nasseste Oktober seit 1901 sowie mit 13,4 °C der 5.-wärmste Oktober seit 1945 registriert.
Nassester November seit 1944 – nur zwei Tage ohne Niederschlag
Der November geht mit 147,1 L/m² (206 %) ebenfalls als 3.-nassester November seit 1901 in die Klimareihe ein – nach den Uralt-Rekorden von 1944 und 1928. Von 30 Monatstagen bleiben nur zwei Tage trocken, an allen anderen fällt messbarer Niederschlag. Zum Monatsende fällt der Niederschlag zum Teil als Graupel oder Schnee, bis auf eine nur wenige Stunden überdauernde 2-cm-Schicht in der Nacht auf den 29. bleibt es bei nasskaltem Schneematsch mit leichten Plusgraden.
Äußerst milder und niederschlagsreichster Dezember seit 1966
Nach einem durchaus winterlichen Beginn mit leichten Frösten bis -4,4 °C (02.) und 3 cm Schnee am 04. stellt sich im Dezember rasch wieder eine Westwetterlage mit sehr milder und regnerischer Witterung ein. Besonders mild und regnerisch zeigen sich die Tage vom 19. bis 25., als mehrere Tiefs mit ihren Regengebieten und kräftigen Graupelschauern über Norddeutschland ziehen. Am 24. steigt das Thermometer bis auf 12,7 °C. In Bocholt fallen innerhalb von 7 Tagen 93,3 L/m², das ist mehr als die mittlere Monatsmenge. Aufgrund der wassergesättigten Böden kommt es zu den Weihnachtstagen zu einem deutlichen Anstieg der Flusspegel und großflächigen Überschwemmungen auf Wiesen und Ackerflächen. Ein größeres Hochwasser wie an einigen Flüssen in Ostwestfalen und Niedersachsen bleibt der Region jedoch erspart. Mit insgesamt 164,9 L/m² (201 %) ist der Dezember 2023 nach 1966 der 2.-nasseste seit 1901. Das Monatsmittel erreicht trotz kaltem Beginn 6,3 °C und damit Rang 3 seit 1945 (nach 2015 und 1974, gemeinsam mit 1988 und 2006).